Schreibgruppe

 

Ich hab mal ne Schreibgruppe besucht. Volkshochschule. Immer dienstags. Später Nachmittag.

Ich dachte mich trifft der Schlag, als ich das erste Mal da war. Alles alte Weiber, sieben Stück, und ein Kerl, der aussah wie ein altes Weib.

Ich in Jeans und Lederjacke, Manuskript über meine ’Bullenzeit’ unterm Arm. Sämtliche alten Weiber mit Einkaufskorb und Häkelzeugs. Der alte Bock ein Buch dabei.

Ich setzte mich so, ein bisschen schräg, dass ich meine Füße auf einen Stuhl lagern konnte, somit den meisten der alten Weiber in die Visage sehen konnte. Der alte Kerl saß am Kopfende. Der Kursleiter, ein durchgeistigt aussehender  Mensch, vermutlich Vollglatze, darüber eine rutschende Roger Willemsen Perücke, schwul, Halbbrille, saß am anderen Kopfende, - oder am Schwanz, wie man will. Der sagte recht wenig, auch beim zweiten Treffen schwieg er sich überwiegend trotzig aus.

Vielleicht dachte der dreimal sau Laune ist Bremer Recht. Mir war das egal, bin ich Bremer?

Bei der ersten Pause jedenfalls, lief er mir zum Pissen nach. Lass ihn, dachte ich.

’Na, wie gefällt es Ihnen denn so bei uns’, kam prompt die beliebte Herrenklofrage. Ich sah andächtig auf sein drippelndes Rohr und antwortete: ’Es läuft so vor sich hin, Meister’.

Darüber war er so begeistert, dass er beim Abschütteln der letzten Tropfen so heftig wurde, dass es ihm beinahe kam.

Am Ende des ersten Tages, beim minutenlangen herzlichen ’Aufwiedersehensagen’, glotze er mir begehrlich auf die Schrittfalte.

’Bis nächstes Mal, du süße Sau’!, gab ich ihm beim Abschied ein Versprechen.

’Sie kommen wieder’?

’Klar, - komme ich ...’

Mir direkt gegenüber saß die beiden Tage eine, die hieß Frau Wort. Jedenfalls stellte sie sich so vor. Und keinesfalls hätte ich einen Kerl hinter der hässlichen Visage vermutet, aber gut ...; deswegen, wegen ihres Namens, sei sie zum Schreiben gekommen, erklärte sie verschämt.

Stell dir vor, amüsierte ich mich still, die würde den hier im Landkreis durchaus gebräuchlichen Namen ’Fick’ führen, - sie wäre mit wunder Spalte auf der Reeperbahn gelandet.

Wegen Ihres Vornamens schreiben sie, fragte ich damals, meinen Lachreiz wegen der Assoziation unterdrückend.

Aber - aber, sie kennen meinen Vornamen ja gar nicht, junger Mann, empörte sie sich.

Doch - doch, sie heißen Frau, dass sagten sie jedenfalls eben.

Nein - nein, ich heiße Wort, blieb die Schrulle ernst und beharrlich.

Sorry, sagte ich - und wusste um ihren Humor Bescheid.

Egal, im Schreibkurs jedenfalls strickte sie, und wie ich bald feststellen konnte, noch beschissener als sie schrieb, und das soll was heißen, denn ihre Pamphlete waren so was von unbrauchbar, da grauste es sogar ihrer Nachbarin.

Die wiederum sah aus wie meine Mutter. Hieß Lorelei, kein Witz, und war blondiert wie Marlyn Monroe auf der Flucht. Die hatte ein Maul, so ätzend graniten und lebensverzogen, damit konnte sie jeden zumörteln.

Stahlhart waren ihre Kommentare an die Gruppe, - zum Stricken, Schreiben, Vögeln, einfach zu Allem. Und ich nehme an, dass sie vom lange verheirateten Sein gezeichnet war. Vierzig Jahre immer mit dem selben furzendem Kerl, das prägt, macht starr und hängt unverdaulich vor den Freuden des Tages.

Ach -, sie hätte irgendwann zwischen den Tagen fröhlich sterben können; jedoch sie wird hundert - und vom Leben unbefriedigt ins Gras beißen. Ich weiß es.

Nach dem zweiten Besuch war ich mit meiner Charakterstudie durch und ging nicht mehr hin.

Tage später rief mich der schwule Kursleiter an.

Der wollte wissen wieso und warum ich nicht mehr mitmachte. Als er endlich zur Sache kam, und ich seinen Antrag mir einen  zu blasen abgelehnt hatte, erzählte er von Frau Wort. Die war, mitten auf der befahrensten Straße des Ortes, vom Schreibkurs kommend, von einem Lastwagen überfahren worden, als sie sich nach ihren heruntergefallenen Stricknadeln bückte.

Die arme Klara, jaulte er betroffen.

Ich meine, sie hätte als ’Fick’ ungetrübtere Freuden genossen. Nicht jeder muss ja, weil er zufällig Wort heißt, schreiben wollen können; aber das musste ich ihm ja nicht sagen.

     Holla, ich höre, das Abendessen naht mit Brausen. Ein Bier dazu wär nicht schlecht, kotzt sich besser ...

 

Jan. 2004 by michy köhn

 

 

 

 

 

(Anfang einer sarkastischen Erzählung)

 

Wochen nach dem der Mond das siebente Haus besetzte, Jupiter auf Mars zuknallte, änderte ich mein Leben.

Ob es besser geworden ist, seit ich nicht mehr trinke? Ich weiß nicht ... 

Scheiße, - das Essen kommt.

Wenn die Schließer beim Aufschließen bloß nicht immer so eine Fete veranstalten würden. Essen!, brüllen die, als ob man den Schweinefraß nicht sieben Meilen gegen den Wind riechen würde.

Schon als sie mich aus dem Gerichtssaal hier runterprügelten (der Richter war Schuld, die Sau, bloß weil ich ihm nach der Urteilsverkündung sagte: ’Ich vermute, Herr Staatsratvorsitzender, ihr Vater war Nazi und ihre schauspielernde Mutter fickte mit Göbbels’, - schreibt der sich nun mit einem oder zwei b?- , ich werde mal an die Zellentür klopfen und bei den Kollegen nachfragen), hab ich gedacht: Mensch, gemach, ich bin euer Kollege.

Ja, und dann habe ich denen das auch in die Klopperei hinein zugeschrieen: ’He, ich bin ehemaliger Kollege – Kollegen ...!’

Was ja nicht stimmte, denn hier im Polizeigewahrsam wacht die schwarze Garde. Das ist ein ganz anderes Kaliber als Polizei; und wie ich früher über die immer so sagte, - die sind stramm und dämlich, mit kleinem h! Doch das konnte ja keiner wissen, von den Kollegen, als die mich verprügelten; stramm und dämlich, mit kleinem h, - stimmt aber ...

     Angefangen über die Polizei und deren Umtriebe (meine Gaunereien vor allen Dingen) zu schreiben, habe ich vor fünfzehn Jahren.

Leider ist nix bei rausgekommen als ein Brief an meine Mutter. Mutter war schon fünf Jahre tot.

Den Brief hab ich in die Tanne an ihrem Grab gebammelt; stand ja nix weiter drin, außer, dass es mir Scheiße geht - und so, dass ich meinen ersten Entzug hinter mir habe - und so.

Übrigens, meinen ersten und auch den zweiten Entzug hat der Polizeipräsident angeordnet. Befohlen, - jawoll!

’Ich trage Verantwortung für meine Männer!’, hatte der im Fernsehen gesagt, und dabei guckte er so treu, dass ich ihn hätte küssen können. Von seinem Amt zurückgetreten ist er nicht, - warum auch, weil ich ihn nicht küsste?

Als ich später seinen ach, so menschlichen Aufruf das zweite Mal sah, im total nüchternen Zustand, da wurde mir wiederum so richtig rührselig, - schluchzen musste ich; der Geier weiß warum, und wenn er wüsste, dann war’s über meinen verlotterten Zustand, weshalb ich weinte, aus Selbstmitleid, und über die drohende Entlassung aus dem Polizeidienst.  Reue, über das was ich getan hatte, empfand ich nicht. Da ging es mir wie dem Polizeipräsidenten, - warum auch?

Gesagt hat er: ’Ich trage Verantwortung für meine Männer!’ (beim ersten Mal), das war, nachdem wir, der Hansi und ich, ein paar randalierende Kanacken so richtig knackich durchgehauen haben, wodurch einer von denen direkt auf der Intensiv landete, - und dabei rauskam, dass ich im Dienst gesoffen hatte.

Im Vertrauen, die  fast leere Schnapsflasche unter dem Vordersitz unserer Bullenkutsche hat mich verraten. Allerdings hatte ich auch 2,2 Promill geblasen, oder war das Hansi?

     ... mein Gott, der Kanacke auf der Intensiv, ich im Entzug, Hansi so gut wie gekündigt, was das kostet, - hab ich Mutter geschrieben, statt eines Romans, den ich schreiben wollte.

Ab da, als ich Briefe an Mutter auf dem Friedhof deponiert hab, glotzte die ’Begießerin’ des Nebengrabs auch immer so blöde.

Ich kenn die eigentlich gar nicht (aber ich bin sicher, die hat meinen Brief an Mutter gelesen, was man ja nicht tut, fremde Briefe lesen, schließlich gibt es ein Briefgeheimnis!), denn das eine Mal, wo die mich zur Ruhebank bei der Kapelle geschliffen hatte, als ich am Eingang zum Kirchhof betrunken umgefallen war, das zählt nich, meine ich.

     Hier drinne hat man ja seine Ruhe; - ich wollte aber eigentlich gar keine Ruhe, ich brauch Äktschen – und was zu trinken. Außerdem hab ich einen Pickel am Sack und verlange ärztliche Hilfe.

Ich weiß auch nicht, wo der Pickel herkommt. Andere spielen Lotto - und gewinnen. Ich bekomm Pickel am Sack, oder sonst wo, - und will die nicht.

Im Lotto gewinnen schon.

Ich hatte schon mal einen Pickel da unten. Das ist ne Anstrengung, den zu killen. Die abgelaberten Sackfalten stören, außerdem ist das Teil saaagenhaaaaft empfindlich. Damals sah ich, mit einem Spiegel, ja, anders geht’s nich, dass es ein verhärteter Mitesser war. Da saß nämlich (ohne h, wie hier üblich - Saubande) son schwarzer Punkt oben auf. Auwei. Als ich drückte, mit den Fingernägeln beider Daumen (die schütteln sonst die Pflaumen, wie Mutter einst sang) erst vorsichtig, da passierte nichts, tat aber mächtig weh, - und da wurde mir schon mulmig. Ich drückte dann mit voller Kraft, quetschend, aneinanderpressend und mit Urschrei: ’nun komm schon!’, - oder so ähnlich, und wurde vor Schmerzen ohnmächtig.

Der Mai ist gekommen, sang mir ein Vögelein zum Schluss zu, und der Spiegel, den hatte ich mir zwischen die Waden geklemmt, von wegen sehen, was man tut, war Bruch, und meine Eier auch, meinte ich, als ich endlich wieder wach wurde. Scheiße; - doch entgegen meiner Vermutung, es war fast nichts zu sehen; ein wenig Eiter, ein bisschen Blut.

Stunden später konnte ich wieder lachen.  Meine Eier waren zwar blau wie frische Blutwurst, - wenn’s die hier gibt, die Blutwurst, gestern war’s, mit Sauerkraut, da könnte ich mich wegschmeißen für-, die konnte ich nach der Not-Op für lange sechs Wochen wegschmeißen; sex Wochen also nichts ...

’Halts Maul’, muss ich mich zusammenreißen, ’deine Probleme sind doch hier ganz andere; du musst - hier - raus, wenn du den Pickel loswerden willst; ohne Spiegel - keine Chance’.

Was man alles so sagt und denkt, wenn man Zeit hat, was?

     Es ist erst zwei, drei Tage her, oder einer?, egal was ist schon ein Tag ..., jedenfalls schloss die Kneipe um vier.

’Du musst jetzt aber’, ermunterte mich die Wirtin, ich habe ihren Namen vergessen, obwohl ich schon seit Jahren bei ihr Stamm bin. ’Du musst jetzt aber’, sagt sie seit Tagen und rasselt jedes Mal mit dem Schlüsselbund. Ich sag dann (manchmal fällt mir dabei ihr Name ein), gib mir noch ne Flasche mit, Gretel, - sag ich dann, mit Namenansage; gib mir noch eine mit, draußen ist kalt.

’Warum geht’s du denn nicht nach Hause’, sagt sie dann jedes Mal.

’Lohnt nicht, ich muss nur zwei Stunden durchhalten, dann macht die Zeitungsbude auf’!

Dann wanke ich raus, die Pulle im Arm. Am Kneipeneingang und an den Fenstern (hab ich doch den Namen der Wirtin schon wieder vergessen) rattern dann gleich die Rolladen runter und meine Füße finden den Weg in den Park, zu einer Bank, die so gut wie mir gehört, wie von selber.

’Platz’, sage ich dort angekommen zu meinem Hund. Der Hund liegt dann wie befohlen und pennt auch meist gleich ein. Ist ja auch anstrengend, so ein Kneipenleben. Obwohl, meist macht der Hund dort fettlebe.  Bouletten, Hühnchen, mal nen Eis. Vor Zufriedenheit gibt er mir beim Kartenspiel den einen oder andern Tipp. So geht das den ganzen Tag. Genau gesagt seit vier Wochen, denn da starb Elfriede. Obwohl, wenn ich genau nachdenke, war das der Tag unserer Scheidung; ja, so können sich Gedanken verdrehen, wenn man Sorgen hat wie ich.

Wenn es kalt ist, in der Morgenfrische, dann wickele ich den Hund in meine Jacke. Entgegen der langläufigen Meinung: der Säufer und der Hurenbock, die friern sogar im dicksten Rock, ist mir nie kalt. Fast.

Heute frier ich, in Gedanken. Denn als ich damals den Hund in die Jacke wickeln wollte, wegen der Morgenfrische, da war der gar nicht da.

’Hund’, rief ich erschrocken, ich hatte seinen Namen vergessen, sicher vor Aufregung; ’Hund’ - also. Nichts. Wie vom Erdboden verschluckt, wie’s immer in schlechten Romanen steht. Kein Hund. Nichts!

Also, ich erst mal einen Schluck zur Beruhigung, dann nachdenken: wo zuletzt gesehen?

Na hier, kommt die Antwort; hier nicht, kommt die Gegenantwort. Einspruch, schreit der Schnaps: in der Kneipe war’s. Richtig, du Einspruch, sage ich, in der Kneipe, mittags, als der das halbe Huhn fraß. Wie hieß gleich noch mal das Huhn? Nich das! Ich meine die aufgeblasene Tucke, die dem Hund das Huhn spendierte. Werner hieß die, sagt Einspruch. Wirst du mal das Maul halten, sag ich; sag mir lieber wie der Hund heißt, ich will den rufen.

Schröder, sagt Einspruch. Werner Schröder, frag ich, - der Hund? Nein, der das Huhn spendierte. Jetzt wird mir aber heiß. Einen Schluck noch, dann rüber - an die Kneipe.

Die Holzrolladen sind runter; - weiß ich doch, Karl-Heinz.

Karl-Heinz heißt der Hund, siehste.

Ich also durch die Rolladenritzen nach Karl-Heinz gerufen.

Ganz leise: Karl-Heinzchen.

Gepfiffen: Karl-Heinzchen.

Am Rolladenholz  gescharrt: Heinzchenkarl ..., - nichts.

Wenn nichts kommt, ja, wenn man sich so richtig den Arsch aufreißt – und nichts kommt, dann, da werde ich zur Sau hoch drei; manchmal noch viel saurer, - jawoll.

Ich also mit dem Rücken zur Rollade, links an der Wand, dass is son Windfang, da festgehalten und das rechte Bein gehoben, - nicht zum Pissen, sondern: ruuuummmsss, gegengetreten.

Mit einem Tritt war ich durch, hätt ich nich gedacht ...

Von oben, über der Kneipe, kommt ne Stimme: ’Was machen sen da’?

’Mein Hund is eingeklemmt’, sach ich; - wollt ja keinem aufn Sack gehen, wollt nur meinen Karl-Heinz wieder.

’Der Hund is einjeklemmt’? echot die Nulpe zurück.

’Ja’

’Son Scheiß, - verarsch jemand anders. Ich werd jedenfalls die Polizei holen, wenn du Penner nich sofort verschwindest’!

’Na, mach mal klar, Opa, - die is nämlich schon da ...’

Der kann mir am Arsch lecken, denk ich; den Hund will ich – is schließlich meiner.

Heb ich also nochmals das Bein, die Tür war schließlich noch im Weg, außerdem glaub ich da drinnen meinen Hund bellen zu hören, - sozusagen Gefahr im Verzug, und trete locker mit der Kraft der drei Herzen aus der Hinterbacke zu.

Rrrruummmsss – durch. Ich steh in der Kneipe, doch kein Hund da ...

Bevor nun die Polizeihörner so quenglich werden, dass sie mir in den Ohren weh tun, kipp ich mir aus dem Bestand der Wirtin schnell den Kragen voll.

Nich weil ich wollte, sollte, konnte, ne, - weil ich musste.

Ich hatte noch nich ausgetrunken, da griffen mich die Arschgesichter.

’Mensch, Kollegen ...’, will ich die noch beruhigen. Doch nichts. Erst in der Minna kommt mir einer so nahe, dass ich ihm freudig in die Fresse schlagen kann.

Na da hättste beisein sollen – da war der Teufel los. Mit allem, was die hatten, schlugen die los; das große Besteck, - jawoll. Dann die Acht an, - und ab dafür (na ja, ich kenn das zwar, - aber nich so rum).

’Kollegen’! sag ich, um abermals zu schlichten, ’war doch nich so gemeint’.

’Halts Maul, du Affenarsch’, sagt der, dem ich eine gegeben habe.

Na bitte, wer sagt’s denn, meine Schule, - dass werd ich dem Polizeipräsident stecken, wenn ich hier raus bin. ’Auf ihre Männer ist Verlass’, oder so ...

     Na klar, hab ich überlegt, was ich machen will, um hier rauszukommen.

Wer das wissen will? Na der Richter will’s wissen; der steht auf Wahrheiten, also: ich werde dem einen wahren Traum erzählen.

Ich bin in eine Schulklasse eingeladen, um über Saufsucht zu sprechen.

Also werde ich zum Sprechen aufstehen; immerhin habe ich einsfünfundachtzich; jawollo, !immer noch!, und - das hab ich ja auch dem Haftrichter gestoßen ..., den Rest allerdings vergessen, warum ich den angebrüllt habe.

Is auch egal, glaubs mir.

Ich werde also vor der Klasse aufstehn, ohne Angst und Schweiß - und so, und werde der hungernden Meute sagen: ’Ich bin anonymer Alkoholiker!, - jawoll’.

Die werden glotzen, denn wenn da son Kerl wie ich steht, locker, gut aussehend, tollen Anzug, Chromkarre vor der Tür - und so, und sagt, hört mal, ich hab gesoffen, gef... , ach Scheiß, ich sag: und was da noch dazugehört ..., dass werd ich sagen, statt gefickt, denn man soll den Kids ja keine Angst machen, von wegen was da noch so kommt, in solchem Leben, nich ...? Schriftsteller bin ich, werde ich in die offenen Mauls starrenden Schüler nachschieben. Und wer weiß, ob es von den Girls hier nich eine gibt, die auf ältere Männer steht.

Hier vorne die, zum Beispiel. Sone kleine Blonde. Ich bin sicher, die hat nix drunter, die reckt die Beine so hoch, spitzt die Lippen; verflucht, ich könnte mir direkt einen runterholen ...

Sag ich also: Schriftsteller; und das ich was ’lesenswertes’ aus dem Leben schreibe, die Wahrheit, zum Beispiel, nicht so verkacktes Zeugs wie andere, dass man nach den ersten gelesenen Seiten in den Ofen schiebt. Ich kann’s nä(h)mlich, ich kann’s besser, - ich muss bloß das Saufen sein lassen ...

     Auwei, die Ehrlichkeit ist immer wieder schmerzhaft, man legt sein Herz bloß, nicht?

Das Herz ist dann überall und schreit bei einer Lüge dazwischen. Also muss ich auch darüber erzählen, dass ich geklaut hab. Darüber, wie sie mich bei den Bullen rausgeschmissen haben, - du Arsch. Ja, ich muss ...

Das kam so. Ich fuhr mit meinem Partner Hansi Streife.

Er fuhr, ich trank. Er trank auch, aber weniger. Dafür fuhr ich nicht. Is ja auch was!

Die Zentrale piepte in mein Trinken und sein betrunkenes Fahren.

’Ba- Ba- Banküberfall’, sang der Kollege der Leitzentrale seinen Auftrag an uns.

’Aahaahaaa ...’, sang ich zurück.

’Den Rest an Info bekommt ihr übern Ticker, wie immer’.

’Schon gut, Kollege’, sagte Hansi, und seine Stimme schmierte etwas beim Sprechen, er aß Currywürste, Marke extrascharf, - ich trank Wodka Gorbi, wegen der Fahne, und meine Stimme konnte auch schmieren, wenn ich wollte.

’Klare Schnäpse machen keine Fahne’, höre ich den Rat meines Freundes Maxe, Polizist, - seit drei Jahren tot, von einem Junkie am Bahnhof Zoo erstochen, wie er dem zwischen den Beinen den Stoff abfummeln wollte.

’Die Sau wollte mir einen blasen, Herr Richter’, sagte der Junk bei der Verhandlung

’Zehn Jahre’, sagte der Richter, - das war son alter, son grauer, son ungerechter ...

’L L gehört dem’, hab ich den Richter angebrüllt, ’... dem gehört lebenslänglich, Sie Arsch’.

’Ihnen gehört in dem Augenblick die Verurteilung zu einer Geldstrafe von fünfhundert Mark, wegen Ungebühr vor Gericht’, blaffte der humorlos zurück.

’Da wird sich Mutti freuen’.

Damit meinte ich die Kneipenwirtin, die wieder auf die Bezahlung meiner Saufschulden warten musste.

’Wenn Sie nicht Ruhe geben, wird’s noch teurer ...’

’Herrgott’!

’Nennen Sie ich um Himmelswillen nicht so ...’, rollte der Richter die Augen

Also: Hansi und ich fuhren zu diesem Scheißeinsatz die Potze runter.

’Ba- Ba- Banküberfall’!

’Aahaahaaa ...’

’Nun friss schon auf, wir sind gleich da’.

Hansi warf den Rest der Wurst aus dem Autofenster, direkt einer Art Rottweiler vor die Füße.

’Ne scharfe Alte, was? Soll Kamilla heißen, kommt aus Engelland, gehört Rocky’.

’Auwei, Rocky, wo der überall seine Finger drinne hat. Jetzt schon Maso-Sado’!

’Wieso Maso-Sado’?

’Na, mit der Currysoße vor den Füßen, da halten doch nur Blutfreier an ...’

’Pfui Teufel’!

’So ..., mach dich fertig, wir sind gleich da’.

’Fahr langsam, einen zieh ich noch hinter’.

     Is nich möglich, denke ich, denn, als wir so fünfzig Meter vor der Bank stoppen, die Lage peilen, - das Lage peilen sagt Hansi jedes Mal, kommt der Bankräuber im Schweinsgalopp auf uns zu, Maske noch auf. Hansi springt raus ...

’Ba- Ba- Banküberfall’!, im Hinterkopf.

Menschenskinder, denk ich, der Hansi hat die Knarre von dem nicht gesehen. Ruck zuck, hab ich meinen Schießprügel draußen, die Flasche Wodka zwischen die Knie geklemmt, und: „Halt, Polizei!“, grölen, war eins.

’Pscht’, macht Hansi, und eine wegwerfende Handbewegung hinterher.

’Aahaahaaa ...’

Also weißte, denk ich, der hat die Knarre immer noch nicht geschnallt. Kurbel ich also die Seitenscheibe runter, ruckel meinen Hintern zurecht, lege den linken Arm als Unterlage ab, ziehe den rechten mit der Kanone in der Hand darüber, stütze die zusätzlich am Seitenholm ab, beuge den Kopf, kniepe ein Auge zusammen, – und habe den Kerl über Kimme und Korn in Visier. Na bitte!

„Halt, stehen bleiben, Polizei!“, schmirgelt Hansis Reibeisenorgan über den lapperigen Straßenteer.

„Halt ...“, ich.

In dem Augenblick zieht der Ganove seine Knarre hüfthoch, und schießt beim Laufen unter der Achsel durch wie weiland Tom Mix unter seinem Pferd, trifft Hansi, der taumelnd zusammenbricht, ich nicht mehr weiß was wahr ist und was Lüge, den Finger krümme, und das Ding in meiner Hand losrummst.

Zweimal. Oder drei?

Der Typ läuft noch ein Stück auf mich zu, bis dicht an die Frontscheibe der Karre, dreht den Kopf nach oben, später meinte ich, der wollte sich schon vorsorglich bei Gott bemerkbar machen, bricht zusammen, wobei er im Fallen noch einen rausdrückt – rumms, und ob er mit dem Schuss nun Gott erwischen wollte, weil der ihn vielleicht nicht haben wollte, oder nicht, ich weiß es nicht.

Später, beim Vernehmungsrichter, sage ich, - na ja, ein bisschen angeschickert war ich schon, und, dass es klang, als er schoss, als habe jemand einen feuchten Furz gelassen, sag ich.

Erklärlich, sagt der Sachverständige, den mein Verteidiger geladen hatte, ihre Ohren waren vom eignen Schießen kurzfristig geschädigt, und sozusagen dicht. Punkt.

’Prima’, sagt mein Anwalt.

Damals, Hansi lag auf dem Pflaster, ich saß im Wagen, war wie erstarrt, schreckte mich ein entferntes Sirenengejaule aus der Trance. Schnell noch ein zwei Schlucke aus der Pulle, die dann im Handschuhfach gebunkert, -lohnt sich eigentlich gar nicht mehr- , das Funkgerät gegriffen, und raus. 

Jan. 2004 by michy

 

Kontakt zur Autor: Michael Köhn - M.Koehn@literatalibre.de

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