9. 7. |
Gegen Abend sitzt du alleine im
Americano, der Art Deco Bar, und fragst dich, was,
außer arbeiten, du mit einem solchen Tag wie dem heutigen hättest
anfangen können. Dir fällt ein, dass du dir raffinierte Pilzrezepte
hättest ausdenken können oder über deinen Lieblingsplatz in deiner
Wohnung hättest sinnieren können. Vielleicht hättest du in die Bibliothek
gehen sollen um nachzuschlagen wie klug oder verblödet Kinder heutzutage
zur Welt kommen? Gott im Himmel, du hättest irgendeinen beschissenen Hang
mit Inline-Skatern runterbrettern und dir dabei die Knochen brechen können,
du hättest über Parfüm von Otto Kern nachdenken können, über den
Freizeit-Overkill dem man ausgesetzt ist, über den gesundheitlichen Zustand
von Schalk Golodkowski.
Du orderst einen Chivas Regal auf Eis und denkst nach über beschissene Clubs hier in eurer Stadt, an Tunten, Schwuletten und sonstige Schlomos, an Frauen mit Schwänzen, an Gregorianische Gesänge und Kettensägenmassakker. Du steckst dir eine Prince Denmark an trinkst deinen Chivas Regal auf Eis, stößt Rauchkringel in die Location während sich dieselbige zu füllen beginnt. Du starrst auf die Strasse raus ohne jegliches Interesse für das was sich da zu deinen Füssen abspielt. Was du siehst widert dich an, die, die du erblickst, tun dir nur leid. Du schließt die Augen; du könntest kotzen. Während du dir eine frische Prince Denmark anzündest, den Rest deines Chivas Regals in dich reinlaufen lässt, fragst du dich, ob sich ein Besuch im Pariser Disneyland lohnen würde, ob du dich noch vor Ende Juni für eine zweite, größere Festplatte für deinen Rechner begeistern könntest, für einen Flachbettscanner von Epson mit mindestens sechsunddreißig Bit Farbtiefe. Während des fünften Chivas Regal auf Eis erblickst du eine Schnepfe in einer klassischen schwarzen Perfectojacke, die blonde Haarpracht zu einem hübschen Pferdeschwanz zusammengebunden. Nett, das Teil, denkst du. Zwei Typen in eleganten Zweireihern schreiten herein, grüßen lächelnd irgendwelche Idioten die zurückgrüßen. Noch einen Chivas Regal auf Eis. Was, fragst du dich, muss man tun, um an einen echten Haring heranzukommen? Zu wem muss man welche Beziehungen haben? Welches beschissene Arschloch muss man dafür ins selbige ficken? Dir wird klar, dass du zuviel Kohle in unnütze Dinge gesteckt hast; deine hübschen Rattan-Möbel haben Unsummen verschlungen, der kleine Sony Fernseher auf den grauen Hohlblocksteinen in deinem Schlafzimmer lieferte schon vom ersten Tag an ein wirklich beschissenes Bild, der Ton könnte auch klarer sein. Der immer wiederkehrende Staub auf den Lamellen deiner Schalusien macht dir wirklich zu schaffen, der auf deinem Pioneer HiFi-Systems, der Schmant, der sich auf der Diamondtron-Bildröhre deines 22" Iiyama-Monitors sammelt. Du überlegst, ob du dir noch einen Chivas Regal auf Eis einfahren solltest, lässt es dann aber doch. Endlich bezahlst du. Du fragst die arrogante Schnepfe, die sich nur mit Mühe ein dumpfes Grinsen abringen kann, worin sich bedeutende Werke italienischer Maler des fünfzehnten Jahrhunderts von denen des sechzehnten Jahrhunderts unterscheiden, bekommst aber keine Antwort, nur unverständliches Gemurmel. Aus ihrer affigen Mimik schließt du, dass sie dich für einen Spinner hält, vielleicht sogar für einen Irren. Du erhebst dich. Nichts wie die Treppe runter und raus aus diesem Laden, raus aus der City... |
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