Raststation

In meiner zugedröhnten Zeit, in der ich zudem auch noch einiges trank, lernte ich Mario kennen. Er war ein wirklich lustiger und erfahrener Bursche. Er hatte mit der Zeit gelernt so offen zu werden und ich hatte immer schon so ein „Schandmaul“, wie meine Großmutter es nennen würde. Wir sprachen viel über Sex und er gefiel mir auch und so ließ ich es so weit kommen, es nicht nur beim Reden zu belassen. Es schien ihm ganz gut zu gefallen. Ich schien ihm ganz gut zu gefallen. Meine Süffisanz, mein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, meinen Tiefsinn, meinen Hang zum spielerisch Lieblichen gepaart mit Anstößigkeit. Zumindest erklärte er mir das so.

Dieser Bursche war ja eigentlich sehr intelligent und brachte mir so einiges bei, aber er war für sein Alter doch ein wenig zu sensibel und einen Tick zu naiv infolge dessen. Während ich mir aber seine Intelligenz zunutze machte, ebenso seine sexuellen Fähigkeiten, versuchte ich ihm die gewisse Härte und Kompromisslosigkeit beizubringen. Ich glaube, ein bisschen davon sollte man sich aneignen, wenn man nicht zu schnell untergehen will. Es schien ihm nur noch mehr zu gefallen und er fing recht schnell an zu beteuern, wie gern er mich haben würde. Wenn Liebesschwüre recht schnell auf überschwängliche Art gegeben werden, kommt das so unterwürfig rüber. Man glaubt, beziehungsweise weiß, dass man diesen Menschen schon in der Hand hat und das wird langweilig. Einfach weil ich ein Mensch bin, der Höhen ohne Tiefen nicht genießen kann.

Ich war zu jemandem geworden, der wohl beides brauchte, um glücklich zu sein. Das eine konnte ohne das andere nicht existieren. Mario würde damit nicht fertig werden. Das wusste ich. Das war zuviel für ihn, aber er hatte davon auch noch keinen blassen Schimmer. Wenn ich sehr viel kiffte, befand ich mich auch in einer sehr ruhigen Phase und ich zweifelte wirklich daran, er könnte mehr meines Geistes packen. Ich war wie eine Katze, die es gerade genoss gestreichelt und verwöhnt zu werden, aber wie lange konnte diese Laune wohl halten ohne langweilig zu werden?! Im bekifften Zustand sicher etwas länger. Sein Pluspunkt war, dass er einen guten Schwanz hatte. Groß, mit gutem Umfang und einer schönen Form. Simone wusste, auf was dies hinauslaufen würde. Sie kannte mich nur zu gut. Er begann mich immer mehr und mehr zu lieben, während ich dies völlig bekifft je nach Laune, entzückend, aufgeilend oder einfach nur entblößend fand. Wieder mal einer von diesen, den man einfach nur einen Kopfschuss gibt und geht. Aber ich versuchte noch zu genießen und zu nutzen. Er war Botaniker und konnte alles Mögliche zusammenkreuzen. Das gefiel mir. Ich brachte ihn dazu, mir zu zeigen, wie man Cannabis-Pflänzchen lukrativ in der eigenen Wohnung züchten konnte, ließ mir von ihm was Spezielles zusammen züchten und hatte eigentlich recht viel Spaß mit ihm und seinen Freunden. Aber in so einem Zustand fällt es einem leicht von Spaß zu sprechen. Ich selbst kiffte nur mehr das speziell für mich Gezüchtete von Mario und den Rest verkaufte ich an enge Freunde.

So musste ich weniger arbeiten und konnte mich mehr dem Fotografieren, Zeichnen und Schreiben widmen. Zusammen mit Simone. Ein schwieriges Mädchen. Nicht sehr leicht zu durchschauen. Sie allerdings hatte eine hervorragende Beobachtungsgabe und Menschenkenntnis. Andererseits hatte sie vor allem diese Taktlosigkeit und direkte, schonungslose Offenheit. Noch mehr als ich. Aber sie war ebenso einfühlsam, sensibel und tiefsinnig. Zusammen fuhren wir durch Städte, zogen durch Bars, spazierten durch Landschaften, lagen den ganzen Tag im Bett und ließen und treiben. Hatte ich Lust auf Amouröses, verbrachte ich die Zeit mit Mario. Wie wenig er doch verlangte. Für mich war er ein kleines Seitenprojekt und er glaubte ich hätte meine Erfüllung gefunden. Als ob das so einfach wäre. Das wusste er allerdings nicht. Ich behandelte ihn wie den netten Kerl. Und nett war er ja: nett anzusehen, nett zu ficken, nett sich von ihm verwöhnen zu lassen.

Manchmal passierte mir ein Seitensprung, weil ich diese Einfachheit nicht packte. So lachte ich mir nebenbei einen ungestümen, haltlosen Burschen an, der auch recht angetan von mir war. Ich fühlte mich wie die Königin, weil mir beide im Grunde egal waren. Keiner der beiden besaß die Macht mir weh zu tun und das war unheimlich beruhigend. Und so trieb ich weiter in mein Leben. Simone bekam die größte Aufmerksamkeit. Zusammen bastelten wir an einem Kurzfilm. Thema: „Wie es die verquere Welt schafft, aus einem harmlosen Kind einen von Hass zerfressenen Psychopaten zu machen“. Grob übersetzt. Es schien für mich, dauerbreit und im hohen Maß gleichgültig, eine kreative Zufriedenheit zu geben. Eine Zeitlang jedenfalls. Denn in meiner Brust begann es schon langsam zu pochen.

Mein Herz schrie nach Aufregung, Impulsivität, vielleicht auch nach Schmerz. Jedenfalls brauchte es langsam wieder irgend ein Gefühl. Da blieb ich doch lieber ganz allein und konzentrierte mich mehr auf den Kurzfilm. Und so war es mir auch egal, wenn ich Scheiße bauen würde. So wie mir alles egal war, auch wenn es mich insofern zufrieden stellte. So schwappte ich dahin, mit meiner persönlichen Ausschweifung zwischendurch, um das Pochen eine Weile lang ruhiger zu stellen. Aber er war so einfältig und blind und so dermaßen ohne Dominanz. Zu schwach für mich. Irgendwann mal, nach etwa 9 Monaten, kam dieses Pochen rasender denn je. An diesem Abend ging ich aus. Ich tanzte, ich quatschte mit dem DJ und dabei lernte ich einen hübschen Burschen in meinem Alter kennen. Er war Student und liebte Dying Fetus. Alles andere interessierte mich nicht sonderlich. Er war hübsch und ich schien ihm auch recht gut zu gefallen. Ein Wort von mir und wir würden in seinem Bett liegen. Mario war auch mit dabei, aber das war mir egal. Diese Gier, dieses Pochen wurde stärker. Der Drang danach, böse zu sein. Aus diesem berechenbaren Leben mit seinen berechenbaren Überraschungen auszubrechen. Danach verlangte meine Seele in diesem Augenblick. Es war einfach langweilig. Mich hielt nichts mehr. Und als ich Mario im Blickwinkel kommen sah, wurde nur mein Puls ein wenig stärker, weil ich mich fragte, was nun kommen würde.
 

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