Das ja geschah in einer Kirche, weiße Schleppe im Kreuz. Schon da war
Vorsicht oberstes Ziel. Bremse, denkt Karla manchmal grübelnd auf einem Sofa
gefangen, Designerstück, Edellager, kein 0815-Ding für 232 Euro aus dem
Möbeldiscounter. Wo ist die Bremse?, erhebt sich ein Wort zur Frage. Egal.
Das Leben ist toll, dessen ungeachtet, wenngleich andererseits, erst recht
nun gerade – trotzdem. Spucke Synonyme in die Welt, auf dass sie anders
wird.
Karla überragt den Karl um eine Kopflänge. Hohe Schuhe werden damit
Vergangenheit. Es sind nicht die Äußerlichkeiten, die zählen, sagt Karl
manchmal, wenn Karla Fragen stellt, und bleibt drei Stunden länger im Büro
bei einem Kopf kürzer mit längeren Beinen und einer Balkongröße in C.
Irgendwo guckt ein Wurm mit Sehnsucht aus einer angefressenen Brotscheibe.
Da. Ein Blick in den Spiegel. Eine reflektierende Fläche, glatt genug, um
Abbilder in Räume zu werfen. Außenansichten anstelle von Innenleben. Im
Grunde möchte Karla weichen. Weg von sich gehen, hier lassen, was in Jahren
an Zinsen entstanden ist, nur den Teil nehmen, der vorher schon da war,
sozusagen das Grundkapital. Alles, was danach gewachsen ist in eine Tonne
schmeißen. Deckel drauf. Vergessen.
Und sie bleibt trotzdem bleibt sie, schwer und träge geworden an
Gedankenballast. Das falsche Dilemma beruht auf dem Glauben, sich im Dilemma
zu befinden. Glaube bedeutet offen zu sein für manchmal irrige Annahmen.
Karla bucht Bleiben, beugt sich selbst erdachter Gefangenschaft. Die
Schleppe im Kreuz stolpert sie rückwärts über hohe Hacken von früher. Wer
sich an Vergangenheit erhängt, stirbt. Schon wieder werden Synonyme zurate
gezogen. Vor Zeiten bis zum heutigen Tage ist früher vergangen, vorbei und
gewesen.
Es ist doch alles gut. Kein Grund zur Klage, macht klagen schwer,
fragwürdig, hinfällig, zwecklos, überflüssig dagegen nicht, denn aus der
Klage wächst manchmal Erkenntnis und ein Licht geht auf. Ist der Weg nach
vorne versperrt, gäbe es seitlich noch eine Möglichkeit. Auf der Stelle
treten, bedeutet keinen falschen Weg einzuschlagen. So viel dazu.
Es hätten noch weitere Interna verbreitet werden dürfen, ausführlicher,
liebevoller, nicht in Fetzen geworfen, sondern gezielt platziert mit
Adjektiven behangen. Gelandet inmitten einer Auflösung ohne jede Vorkenntnis
im Bruchteil des Augenblicks mit der Frage: Wo ist die Bremse? Unerheblich.
Bremsen ist leicht. Rechter Fuß auf das Pedal, ein paar Sekunden. Leben hält
an.
Trotzdem. Ringe getauscht mit Gravur. Versprechen auf immer, bis der Tod
beendet. Was liebst du an mir?, fragt Karla die Wand. Dass du da bist, hallt
es blechern zurück. Verträge werden heimlich geschlossen und heimlich
schließen Verträge.
Karl hat viel zu tun. Karl leistet Mengen. Karl weiß das wie Karla. Es
schweißt, wenn zwei Gleiches denken. Und wenn
du bist schön
ich begehre
ohne?
- dann auf jeden Fall trotzdem. Denn Karl liebt Karla, nur umgekehrt.
Gefangen auf dem Designerstück und Edellager des Sofas erfolgt eine
Bremsung. Kopf fliegt gegen Glas. Hier wären Worte angebracht, die das
Gehirn nicht versteht, die das Herz vernichten. Was bleibt nach der
Bremsung? Ein halbes Haus, ein Monatsscheck, ein Konto, ein Koffer, ein
Ticket? Das Leben ist B-Ware mit der Schleppe im Kreuz, langen Beinen und
kaltem Schatten auf dem Balkon.
Später dampft eine Kartoffelsuppe auf dem Herd der Vernichtung entgegen.
Verträge werden heimlich geschlossen. Sie lösen sich, wenn der Preis steigt.
Was wenn ich nicht mehr da wäre?, fragt Karla die Wand und krallt sich an
Worte. Bleibt trotzdem trotzdem? Die Wand lacht mit schüttelndem Beben und
schweigt. |