"Es war
ein schöner Abend", rief Katharina aus dem Badezimmer. "Ist schon 'ne
Weile her, so'n schöner Abend!" Katharina war beschwipst. Sie kicherte
und lallte ein bisschen und ich dachte, die Voraussetzungen sind doch
nicht allzu schlecht. Vielleicht wird es klappen. Neunzehnter April.
Vielleicht wendet sich alles noch und geht in Ordnung! Wenigstens
diesmal, an meinem Achtundvierzigsten Geburtstag. In zwei Jahren werde
ich Fünfzig. Ich will gar nicht daran denken…
"Ja!" rief ich zurück. Ich lag bereits im Bett. Wir waren in der Stadt
gewesen. Französisches Restaurant. Austern aus der Bretagne. Danach
Piano-Bar. Tanz und intime Kuschelecken. Es war recht gut gelaufen. Wenn
nur Katharina wenigstens für fünf Minuten ihre verdammte Prüderie
ablegen könnte. Beim Slow hatte ich beide Hände um Katharinas Hintern
gelegt, hatte die prallen Rundungen im Griff, ließ einen Finger spielend
über die Nische kreisen, die sich zwischen den Pobacken am schwarzen
Kleid abzeichnete und hatte dann ihren Unterleib fest und fordernd gegen
meinen kleinen Freund gedrückt. Katharina hatte ihren Kopf in meine
Halswölbung gelegt - ich konnte mich nicht mehr entsinnen, wann sie das
zum letzten mal getan hatte. Jetzt würde sie irgendeine Frivolität
sagen, etwas Außergewöhnliches, etwas, was mich anmacht, zum Beispiel
"Gefallen dir meine Arschbacken?" oder wenigstens "Ich hab` Lust auf
dich!" Stattdessen flüsterte sie mir ins Ohr: "Aber doch nicht hier in
aller Öffentlichkeit!"
Katharina war, soweit ich mich die Jahre zurück entsinnen kann, selten
frivol gewesen. Schlüpfrigkeiten waren nicht ihr Fall. Wenn ihr trotzdem
mal eine heraus rutschte, war Katharina entweder beschwipst oder
besonders gut drauf und das war in letzter Zeit so selten wie Schnee im
Mai. Mein kleiner Freund, der beim Körperkontakt immerhin auf Halbmast
geklettert war, schrumpfte wieder auf Winzling. Mit einem Wort, einer
Geste, hätte Katharina die Situation ändern können. Mit Champagner die
Hormonpillen hinunter gespült. Letzter Versuch. Bereits kurz nach
Mitternacht nach Hause gefahren.
Ich fummelte an mir herum. Wird er steif werden? Meine Konzentration lag
nur auf diesem „wird er steif werden?!“ Fahrig und verängstigt strich
ich die Vorhaut zurück. Nur schwache Signale. Ich dachte an das andere
Pärchen in unserer Schmuseecke, die sich ungeniert befummelt und beinahe
einladend zu uns herüber geschaut hatten, und vor allem an die
Single-Frau, die alleine an der Bar saß und sich mit ihrem Glas
unterhielt.
Sie war um die Vierzig, hatte das Haar hoch gesteckt, an Hals und Ohren
erkannte ich das unauffällige Schimmern bescheidener Schmuckstücke. Ihr
Gesicht war von einer sympathischen Widersprüchlichkeit; die Augen
abwesend und beinahe verloren im roten Lichtspiel zwischen Kristallkugel
und Plüschtapeten, und doch hatte ich das Gefühl, als würden sie jede
Bewegung im Raum erfassen. Ihre Mundwinkel hatten bereits zarte,
gepflegte Krähenfüße, ein Mund zwischen gelebter Enttäuschung, Hoffnung
und neuer Lust und ich dachte an Sinnlichkeit und Lebenserfahrung und
ich sah die langen Beine und den grazil abgerundeten Hintern und so
bastelte ich mir aus dieser Mischung von Seele und Sex eine Wunschfrau
zusammen und stellte mir vor, wenn sie mit uns gehen würde, wenn
Katharina einverstanden wäre, was einem Lotto-Sechser gleichkommen
würde, wenn, dann würde es mit Sicherheit klappen.
Vielleicht sollten wir den jahrelangen Eintopf einmal gegen neue Rezepte
eintauschen?
Meine Phantasie schlug Purzelbäume. Katharina würde mich zum Psychiater
schicken, wenn ich über meine Phantasien reden würde. Kann ein Mann
überhaupt mit einer Frau über Phantasien reden? Das machen Frauen wohl
untereinander aus, wenn überhaupt.
Katharina kam ins Bett gekrochen. Sie duftete nach Badeseifenfrische und
hatte ein durchsichtiges Stöffchen auf der Haut, wie ich es seit Monaten
nicht mehr bei ihr gesehen hatte.
Die Stunde der Wahrheit! Nur jetzt mich nicht selbst unter Druck setzen!
Langsam angehen lassen! Ich legte den Arm um Katharinas Schultern. Sie
kuschelte sich wie ein Kind an mich. Ihre Wärme erregte mich. Für einen
Augenblick dachte ich, das ist wie früher, als wir uns noch liebten und
fast täglich über uns hergefallen waren. Sind die pingeligen
Streitigkeiten der letzten Monate vergessen?
Über Bord damit! Jetzt werden wir klar Schiff machen, uns streicheln,
küssen, anheizen, und Katharina wird mir helfen mein Problem zu
überwinden. Es muss ja nicht immer die totale Erektion sein, der
Superpimmel, das höchste Gütesiegel der Männlichkeit. Katharina könnte
ihn schlicht und einfach wieder einmal in den Mund nehmen, ihn liebkosen
als würde sie Sahneeis schlecken, auch wenn er nur ansatzweise in
Steiflage kommt. Wenn sie sich wieder nur auf den Rücken legt und auf
meine Missionarsinitiative wartet, werden unsere Chancen unter Null
sinken.
Als ich noch unsicher überlegte, wie ich weiter vorgehen sollte, drückte
sie ihren Unterleib fest und fordernd gegen mich. Ich war gefragt! Eine
Hitzewelle überkam mich. "Wir sollten wieder öfters ausgehen!" sagte ich
und fuhr ihr mit der Hand fahrig über den Rücken. Ich wollte Zeit
gewinnen. Nur noch ein paar Sekunden, und meine Nerven würden reagieren!
Nur noch ein paar richtige Worte und die entscheidende Berührung am
richtigen Punkt. Aber wo ist er, der richtige Punkt?
Mit der linken Hand fummelte ich nervös an meinem halbsteifen Schwanz
herum, die rechte ließ ich über ihre kräftigen Oberschenkel in ihre Möse
gleiten, in der flehenden Hoffnung, mein Hirn würde die Signale
empfangen. Über meinen Finger spürte ich die weiche, warme Flüssigkeit.
Ein gutes Zeichen! Seit Monaten war Katharina nicht mehr nass geworden;
nicht mehr diese triefende Nässe, in der man ersäuft, sich verliert wie
in warmem Meerwasser. Nach ihrer Operation und der darauf folgenden
Sterilisation vor zehn Jahren wollte sie nicht mehr, dass ich sie mit
der Zunge vorbereite und wir hatten es auch schweigend akzeptiert, dass
ihr Mund nicht mehr den Weg zwischen meine Schenkel fand. Seltsam,
irgendwie hatte alles im Laufe der Jahre nachgelassen. Wir hatten der
Entwicklung taten- und vor allem sprachlos zugesehen.
Wie oft hatte ich mir gewünscht, einfach einmal tierisch obszöne Worte
zu gebrauchen. Oder wenigstens ein bisschen mehr Offenheit. Wir wissen
doch beide, dass Sex nicht nur zum Kinderkriegen besteht. Ob mein
Problem damit zusammen hängt? Soll ich mir tatsächlich über eine
Kontaktanzeige eine perverse Nymphe suchen und mit ihr meine Phantasien
austoben und mich aufgeilen und dann zu Katharina ins Bett und in ihre
Möse schlüpfen?
Bei dem Gedanken erreichte mein kleiner Freund eine beachtliche Größe.
Wenn er noch ein kleines bisschen steifer werden würde, wenn ich die
Erektion dann halten könnte, ich könnte ihn einführen in Katharinas
weiche, warme Flüssigkeit, was ihr sicher wieder Spaß machen würde, und
dann würde ich mich fallen lassen, endlich wieder einmal ganz tief
fallen lassen, und dann ganz unten, ganz weit hinten, würde der Schrei
kommen. Der Urschrei, auf den ich wartete, so, wie ich ihn von früher
kannte, das lag doch noch keine zwei Jahre zurück...
Ich beugte mich über Katharina und drückte mit meinen Knien ihre Beine
auseinander. Sie wollte noch schmusen. "Streichele mir bitte den
Rücken!" flüsterte sie. Ich sagte "Ich will dich jetzt gleich!" und sie
antwortete "Hmmhmm!" und machte die Beine breit.
Wenn ich jetzt warte, wenn ich jetzt den günstigen Augenblick nicht
nutze, wo mein kleiner Freund einigermaßen steif ist, wenn ich ihn nicht
einführe, damit er Katharinas Wärme spürt und steif bleibt, dann..., ich
wurde wieder nervös, versuchte, diesen halbsteifen Muskel in Katharina
hinein zu bohren, das war verzweifelt aggressiv und zugleich so hilflos
und sie zuckte zusammen, sagte "Oh!" und dann "Jaa! Das tut gut!" und
ich presste und presste, Katharina hielt dagegen, schob ihren Bauch vor,
fummelte nach einem Kissen und schob es unter ihren Hintern, ich verlor
mich in warmer Flüssigkeit, Katharina stöhnte, es klang ein bisschen an
den Haaren herbei gezogen, aber sie meinte es sicher gut und wollte mir
helfen, nur jetzt nicht nachlassen, er wird steifer, hält die Position,
ich fasste mit den Händen unter Katharinas Hintern, klammerte mich wie
ein Ertrinkender an ihre Pobacken, stoße wild und unkontrolliert auf
Katharinas Unterleib, warum in drei Teufels Namen hatte ich plötzlich
wieder diese Rückenschmerzen, dieses lähmende Schwächegefühl in den
Hüften, ich darf nicht aufgeben, nicht in diesem Moment, noch einmal
aufbäumen, noch ein paar Kraftreserven von irgendwo hinten, wieso spüre
ich nicht Katharinas Gebärmutter, warum keinen Widerstand, ich
schlingere mit meinem halbweichen Ding wie verloren durch einen warmen
See, egal, ich bin schon froh, wenn er einigermaßen steif und drinnen
bleibt, hin und her, Mädchen, flehe ich innerlich, hilf mir doch ein
bisschen, drück' deine Muskel gegen mich, steck' mir den Finger in den
Hintern, oder sag' wenigstens ein paar unflätige Sätze, lüge mich an,
täusche einen Orgasmus vor, verkürze mir die Zeit, meine Kraft lässt
nach, und jetzt, - das darf doch nicht wahr sein -, Schweißausbruch,
dieser Scheißpimmel war herausgerutscht, ich griff danach, wollte ihn
zurückschieben in die offene, bereite Katharina, ich hielt einen
abgeschlafften, nassen Winzling in der Hand, er wurde immer kleiner,
mein Ringfinger war ein Riese dagegen, ich ließ mich fallen, rollte zur
Seite, plumps! wie ein Sack Kartoffel, lag neben Katharina auf dem
Rücken, wortlos, wie immer, hatte wie ein Alibi meinen Finger in
Katharinas Möse gesteckt, fuhrwerkte fahrig darin herum, ein miserables
Ersatzwerkzeug, lag daneben, wie ausgepumpt, peinlich, aber das Loch zum
verkriechen war nicht da, und so lagen wir schweigend nebeneinander, bis
ich zu den Zigaretten griff und Katharina eine anbot.
"Du hast eine Andere!" Katharina hatte an der Zigarette gezogen, den
Rauch inhaliert und es hatte eine Weile gedauert, bis dieser Satz
herauskam.
"Eine Andere?"
"Eine andere Frau! Was denn sonst?! Oder musst du Zeit gewinnen, um eine
Antwort zu suchen?" Ich empfand das als aggressiv, beinahe boshaft;
jedenfalls schien es mir kein Ansatz für ein sachliches Gespräch zu
sein.
"Nein!" Ich seufzte. Und dieser Seufzer sollte ausdrücken, du gehst mir
auf die Nerven mit dieser ewig gleichen Frage, warum können wir nicht
über andere, über wirklich wichtige Dinge reden? Aber ich seufzte nur
und schwieg eine Weile.
"Ich habe keine Andere!" sagte ich schließlich und das stimmte. Mein
letzter bescheidener Seitensprung war so blamabel verlaufen, dass ich es
danach nicht mehr versucht hatte. Aber ich dachte oft an andere Frauen,
und daran, wie man sich lieben könnte, ohne diesen verdammten Zwang mit
dem steifen Pimmel, und das machte die Sache nicht einfacher.
"Ich glaube dir nicht!" Katharina drückte fahrig die Kippe aus. "Du
gehst mir auch sonst aus dem Weg! Wann bist du denn noch zu Hause?!
Heute an deinem Geburtstag hast du dich wieder mal verpflichtet gefühlt!
Aber selbst wenn du mich im Arm hältst, bist du nicht bei mir, sondern
woanders...! Wo? frage ich mich. Wo? Du solltest wenigstens Mann genug
sein, mir die Wahrheit zu sagen! Dann weiß ich, woran ich bin. Aber so
kann das nicht mehr weitergehen! Ich bin Zweiundvierzig...!" Sie drehte
mir den Rücken zu.
"Was willst du damit sagen?" fragte ich und spielte den Naiven.
"Du weißt genau, was ich damit sagen will!" Katharina löschte die
Nachttischlampe.
"Die Arbeit!" setzte ich zu einem Erklärungsversuch an. "Der Stress! Die
Überstunden! Wir sind nicht mehr die Jüngsten! Ich werde mal zum Arzt
gehen!"
Katharina antwortete nicht. Hilflos schwieg ich. Ich hatte das Gefühl,
als würden wir ein paar Meter auseinander in getrennten Betten liegen.
Tatenlos sah ich zu, wie sich diese unsichtbare Wand von Schweigen und
Isolation dazwischen schob.
(Anmerkung des Autors: Es handelt sich hier um das erste Kapitel
meines noch nicht ganz fertigen Romans „Der gestörte Mann“ (Rien ne vas
plus), für den ich auch noch auf Verlagssuche bin.)
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