Bratpfannenmörder und Schnitzelmörder

Ich war mal pivilegiert. Ich konnte im Restaurant von Heiner, der Salzunger
"Gerichtsklause" essen, was ich wollte und nicht nur das, was in der
Speisekarte stand. Dieses Privileg rührte aus der Tatsache heraus, das ich
mit Bernhard Klemmer das Konzept und das Interieurdesign kreierte. Das
einzige, was ich aber aus der Speisekarte heraus ständig futterte, war
Wiener Schnitzel oder gebackenes Schweineschnitzel. Alleine schon wegen der Pfanne, in der die Schnitzel gebraten wurde. Es war eine heilige Pfanne.
Eine heilige Wienerschnitzelbratpfanne.

Der Großvater des Kochs Heiner hatte die Bratpfanne seit den Zwanziger
Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Vorher sollte die Bratpfanne aber auch schon irgendwo im Gebrauch gewesen sein. Wahrscheinlich auch bis zu irgend einem Großvater oder Urgroßvater zurück sicher bis zu Zeiten, als
Feldmarschall Radetzky Mailand eroberte und das Rezept aus Oberitalien nach Wien verschleppte. Er entdeckte und erschmeckte die wunderbare Angewohnheit der Norditaliener, ihr Fleisch mit einem goldenen Mantel von Bröseln und Ei zu überziehen. Und damit schaffte er ein kulinarisches österreichisches Heiligtum.
Die Pfanne war eine Bratpfanne wie jede andere. Aus schwarz-speckig-krustigem Eisen 30 cm im Durchmesser und hatte einen dicken fetten gedrechselten Holzgriff, wo kaum noch zu erkennen war, das der Griff aus Holz war. Heiner brutzelte darin das Schnitzel mit schlotternder goldgelber Kruste im Küchendeutsch "soufflierend" mit einem einfachen Trick. Ein Schwapp Mineralwasser in die geschlagenen Eier . Dann Ruck Zuck das Schnitzel in Mehl drücken, in der Eierpampe mehrmals wenden in die Semmelbrösel wälzen und ab in die schwarze Pfanne, wo vorher Schweineschmalz auf Raketenbrennertemperatur köchelte.
Einmal, ich hab wieder mal Schnitzelhunger, hatte Heiner ein angeregtes
Gespräch mit einem Gast und deutete "Brat Dir selber eins, Fleisch liegt auf
dem Hackklotz!" Gesagt, getan. Ich schneid mir eine deftig Scheibe ab und
brate nach Heiners Art das Schnitzel, nehme eine Ladung Kartoffelsalat mit
auf den Teller und spüle die Bratpfanne nachdem schön sorgsam ordentlich in der Küchenspüle mit viel viel Spülmittel ab.
Als ich mir so das Schnitzel wollüstig zur Hälfte einverleibt hatte, kommt
ein materialischer Schrei aus der Küche. Wütend rast Heiner mit der Pfanne
in der Hand aus der Küche heraus zu mir an den Tisch. " Was hast Du getan! Was hast Du getan! Was hat Du getan!" brüllt er dreimal durch den Gastraum, der so ziemlich mit Gästen gefüllt war. "Die Pfanne wird nie abgewaschen, niemals , nie, nie niemals!" röhrt er.  "Entweiht hast du sie, die kann ich jetzt wegschmeißen, du hast die Pfanne verhunzt, du hast mich ruiniert - du hast die Pfanne ermordet!"

Er schwingt die Pfanne hoch wie die alte Abfahrtskelle der deutschen
Reichsbahn und knallt mir vor 30 Zeugen die blitzsaubere Eisenpfanne auf
meinen schnitzelessenden Kopf. Ich sehe kurzzeitig das Sternbild des Orion
und dann sehe ich nichts mehr. Am anderen Tag wach ich in der Chirurgie des Kreiskrankenhauses auf und habe seitdem öfter das Bedürfnis Texte zu
schreiben.

Ja, warum erzähle ich das hier heute alles? Vorgestern war ich in der
Berliner Kneipe CHAPITEAU". Die Zirkuskneipe in der Christinenstraße 1, Ecke Torstraße. Ein Freund sagte mir, dort gibt es ein gutes billiges Schnitzel (BSE = Bratkartoffel, Schnitzel, Ei) für 10 Mark. Das Schnitzel war
mausetot, ermordet vom Wirt Luz H. in einer Friteuse. Wo vorher Hähnchen,
Pommes Frites und wahrscheinlich auch Forellen geschmacklich um die Ecke
gebracht wurden, brutzelte man auch dieses Stück tief gefrorene fix und
fertig panierte Stück vom Baumarkt oder aus der METRO.

Und nu, was ist die Moral von der Geschicht?
Die einen morden aus Dummheit, die anderen morden aus Absicht!
Kontakt zum Autor: R. Hebstreit - rhebs@rhebs.de
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