Das gekaufte Lächeln

Wenn ich ein oder zweimal in der Woche in dem türkischen Gemüseladen mein Ciabattabrot besorgte, schenkte mir die Verkäuferin ein besonderes Lächeln, worin ich eine Mischung aus freudigem Wiedererkennen, Einverständnis mit meiner Kaufentscheidung – schließlich wählte ich ja kein Fladenbrot – und auch einem leicht mokanten Zug spürte. Der mochte daher rühren, daß sie das leicht Zwanghafte meines regelmäßigen Auftauchens und des ständigen Verlangens gerade nach Ciabattabrot – nie wünschte ich etwas anderes – durchaus bemerkte und mit ihrem Lächeln, genau gesagt einem Anteil davon, auch ausdrückte. Sie schien zudem aufzufangen, daß mir der mokante Bestandteil ihres Lächelns bewußt war, daß ich trotzdem oder vielleicht gerade deswegen immer wieder hinging, um mich an ihrem besonderen Lächeln zu weiden. 

Es war ja nur ein sehr kurzer Moment, wenn ich nach dem Brot fragte, sie eines aus einem Korb herausnahm und in eine dünne Plastiktüte steckte wie in ein Futteral, womit man etwas besonders Wertvolles und Verletzliches schützt. Ich sah bei diesem vorsichtigen Tun sehr genau zu, wollte es gern hinauszögern, auch den anschließenden Teil des Lächelns möglichst in die Länge ziehen. Aber es ging leider alles ziemlich schnell, denn die Verkäuferin hatte geschickte Hände und ein gutes Körperempfinden für ineinandergleitende Bewegungsabläufe. Während sie das alles zügig und elegant vornahm, merkte man ihr die Freude am Beherrschen ihrer Tätigkeit an, ja sie schien den Betrachten aufzufordern, ihre Fähigkeiten wahrzunehmen und zu bewundern. 

Nun waren das ja vergleichsweise schlichte Vorgänge, aber zeigte sich in der Meisterung des Kleinen nicht auch die Befähigung zum Großen, war nicht auf eine besondere Begabung zur harmonischen Gestaltung ganz anderer Bewegungen zu schließen? In ganz anderen Zusammenhängen?

Irgendwann wußte sie, daß ich nicht das Brot kaufte, sondern ihr Lächeln. Auch das ließ sie mich spüren, verwendete jetzt weniger Sorgfalt auf das Einpacken des mit Mehl bestäubten Stücks, das biegsam war und fast wie ein belebtes Organ in das aufnahmebereite Plastikfutteral rutschte. Sie selbst schaute jetzt diesem Hineingleiten, das sie vorher wie automatisch besorgt hatte, mit gesteigerter Aufmerksamkeit zu und schien mir bezeugen zu wollen, daß das ein stellvertretender Akt sei. Ich konnte meine Augen nicht davon lassen und gab ihr zu verstehen, daß sie sich Zeit lassen sollte. Mit meinem Blick sagte ich ihr das. Sie verstand es und machte nun alles langsamer. Nach etwa einem Monat waren wir so weit, daß der Vorgang gehörig andauerte und ihr Lächeln jeden mokanten Zug verloren hatte.   
 

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